Donnerstag, 11. Oktober 2012

Kapitel 3



Kapitel 3

Nach fünf Stunden gab es eine Feuerpause. Ich wusste, dass dies hier noch tagelang so weiter gehen konnte, denn die Taliban, waren bekannt für ihren langen Atem. Sie hätten so vielen Menschen Leid erspart wenn sie eine Niederlage anerkannt hätten, doch das entsprach nicht ihrer Mentalität.
Ich und meine Schwester hatten kein Auge zugemacht, wie denn auch bei dem Krach? Zwischendurch ließen die Soldaten zwei Bomben auf die Taliban regnen, doch entweder sie verfehlten ihr Ziel oder sie waren zu weit zerstreut. Auf jeden Fall ging es fünf Minuten nach den Detonationen schon wieder weiter. Wir saßen hier zwischen all den Soldaten, die es sich mittlerweile gemütlich gemacht hatten und waren… Gefangene. Vorsichtig betrachtete ich sie und war verwundert. Keine mit Aggressivität gefüllten Augen warteten darauf, dass ich etwas falsch machte, wie die meines Ehemannes. Wir wurden komplett ignoriert, als wären wir gar nicht da und so lehnte ich mich fast schon entspannt gegen die Mauer und schaute mir mit Saya die Sternenbilder an.
Schon bald würde es dämmern und langsam kehrte Ruhe ein. Wir beteten in Richtung Mekka, ohne uns davor mit Wasser zu reinigen, stattdessen nahmen wir Sand her. Danach war Saya mit ihrem Kopf in meinem Schoß eingeschlafen, sobald der letzte Schuss gefallen war. Die Arme war todmüde und hatte es sich verdient zu ruhen. Heute hatte sie wirklich Tapferkeit bewiesen.  Aber so war Saya eben. Ein großes Herz das die Welt umarmen konnte und viel Mut vereinten sich in ihrem zierlichen Körper. Obwohl ich die Große von uns beiden war, immerhin trennten uns sechs Jahre, war sie mir mehr Stütze als ich es einem Mädchen in ihrem Alter eigentlich zumuten wollte. Aber sie war es, die zu mir ins Bett krabbelte und mich tröstete, wenn ich vor Verzweiflung die Tränen nicht mehr zurück halten konnte. Sie war es, die mir zuflüsterte, dass ich stark und schön war, und dass sie stolz auf mich war. Sie war es, die anfing das Lied von Mama zu singen und ich war es, die mit mitsang.  Als Gegenleistung wollte sie alles über Mama wissen. Leider konnte sie sich nicht mehr an sie erinnern,  und so war ich an die Stelle unserer Mutter getreten. Saya war alles für mich, sollte ich sie jemals verlieren, würde ich mich selbst verlieren. Ihr konnte ich vertrauen und ich wusste, dass sie mich aufrichtig und grenzenlos liebte. Das war alles was mir noch auf diesem Schlachtfeld des Lebens geblieben war und doch war es mehr als ich mir erhoffen konnte. Sie war der einzige Grund, der mich am Leben hielt und mich weiter kämpfen ließ.

In diesem Moment würde ich normalerweise den Ofen anheizen, Wasser vom naheliegenden Fluss holen und die Tiere versorgen. Aber ich glaubte nicht, dass mich die Soldaten einfach über den Hof spazieren lassen würden, um nach der Kuh zu sehen, oder dem was noch von ihr übrig war.
„Lass uns deine Wunde versorgen.“ Ich hatte gar nicht gemerkt, dass mein Retter neben mir in die Hocke gegangen war. Vor uns stand auch der große blonde Mann mit den kalten Augen. Mich schüttelte es, als ich ihn ansah und schnell senkte ich wieder den Blick.
„Nein, ist schon gut.“ Ich wollte an meine Stirn fassen und zuckte zusammen, als plötzlich seine Hand nach vorne schoss. Reflexartig hob ich den Arm und duckte mich in Erwartung des Schlags. Schließlich hatte ich ihm so respektlos widersprochen.
Aber er schlug mich nicht, sondern zog meine Hand wieder nach unten, so dass ich mich nicht an meiner Wunde berühren konnte. Vorsichtig linste ich ihn über meinen Arm an. Seine dunklelblauen Augen funkelten mich wütend an. Mir wurde ganz schlecht und ich fragte mich wohin ich mich jetzt verkriechen konnte, um dem, was gleich kommen würde, zu entfliehen. Doch komischerweise nahm er auch meinen noch erhobenen Arm, langsam und vorsichtig und zog ihn herab, damit er mein ganzes Gesicht sehen konnte.
„Ich werde dich niemals schlagen.“, sagte er langsam und betonte jedes Wort dabei. Seine Augen strahlten dabei vor Ehrlichkeit und mein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Ich wusste nicht, ob ich ihm glauben sollte. Männer konnten so viel sagen und es ja doch nicht so meinen…
„Aber du bist wütend.“, flüsterte ich schon fast. Es war mir unangenehm, dass er immer noch meine Hand fest hielt, aber ich hatte Angst mich ihm zu entziehen. In einer frustrierten Geste strich er sich mit einer Hand über die raspelkurzen Haare. Die meisten, auch er, hatten mittlerweile ihre Helme und diese komischen Brillen abgesetzt und es sich hier hinten gemütlich gemacht.
„Ich bin wütend, weil du Angst vor mir hast.“ Das war für mich unverständlich. Ich konnte nicht glauben was ich gehört hatte.
„Oh… entschuldige.“ Etwas anderes fiel mir dazu nicht ein. Er warf seinen Kopf zurück und lachte schallend. Ich grinste auch ein bisschen verunsichert, erwartete aber immer noch insgeheim einen Schlag.
„Entschuldige dich nicht. Ich bin nicht auf dich wütend!“ Aber auf wen denn dann, wenn nicht auf mich? Doch ich traute mich nicht weiter zu fragen, dass stand mir schließlich nicht zu. Ich runzelte die Stirn und schaute auf seine Hand die meine hielt. Sie war groß und rau, aber sein Griff war sanft. Meine Hand schien komplett in seiner  zu verschwinden. Von seinen Fingern ging ein warmes Kribbeln auf mich über.
„Lässt du dich untersuchen, bitte?“, fragte er mit sanfter Stimme. So  hatte noch nie ein Mann mit mir gesprochen und dann auch noch die Bitte. Vor Schock sah ich ihn wieder an und schüttelte schnell den Kopf. Er war kein Arzt! Das schien ihn umso mehr zu frustrieren und er wendete seinen Blick kiefermahlend ab.
„Wieso nicht?“
„Ich darf mich nicht von einem fremden Mann berühren lassen“, murmelte ich.
„Dann eben ohne Berührung?“ er klang schon wieder so wütend das ich aus Angst tat was er wollte.
„Nick!“, er winkte harsch einen von den Soldaten herbei, mit denen er vorher so ausgelassen gelacht hatte. Dieser ging vor mir in die Knie und am liebsten wollte ich mit der Mauer in meinem Rücken verschmelzen, denn es war der furchteinflößende, Mann mit den stechend blauen Augen und einer dicken Narbe über dem rechten Auge. Mit verschränkten Armen blieb der Soldat der anscheinend ihr Anführer war, neben uns stehen. Ich sah mit roten Wangen auf den Boden vor mir. Die Hand die er gehalten hatte, kribbelte immer noch und ich rieb meine Finger.
Der Mann vor mir sagte irgendwas mit ruhiger, angenehmer Stimme, aber ich verstand ihn nicht.
„Ist dir schwindlig?“, übersetzte mein Retter und ich fragte mich wieso er meinen Dialekt so fließend sprach. Ich schüttelte den Kopf, ohne die beiden anzusehen.
„Ist dir übel?“, wieder verneinte ich.
Der Mann mit der Narbe redete wieder und ich zuckte zusammen, als er mich am Kinn greifen wollte, um meinen Kopf anzuheben. Bei Allah, ich würde mich nie daran gewöhnen! Der Anführer zischte ihm etwas zu, woraufhin der Blonde der eigentlich so kalt und sachlich wirkte ihm einen belustigten Blick zuwarf und zwinkerte. Das machte ihn für mich sofort sympathischer. Während der, dem der Blick gegolten hatte frustriert schnaufte und die Augen rollte. Dabei bekam der Blonde einen leichten Schubs, so dass er fast das Gleichgewicht verlor.
Ohne es zu bemerken, entkam mir ein Kichern, dann schlug ich auch schon schockiert meine Hände vor den Mund und starrte den Anführer panisch an. Er lächelte fast schon verträumt und sah mich an, doch als mein panischer Blick ihn traf runzelte er die Stirn und wieder zeichnete sich Wut in diesen ausdrucksstarken Augen ab.
„Du darfst lachen, weißt du?“, knurrte er mich plötzlich an. „Du darfst sogar noch viel mehr! Du darfst sagen was du willst! Du darfst uns sogar beschimpfen, wenn dir etwas nicht passt! Wir werden dir nichts tun! Wir sind nicht wie die!“ Ich wich zurück, weil er mich mit einem Mal so anschrie und war mir plötzlich sicher, dass er mir doch jeden Moment etwas antun würde. Aber der andere Soldat stand auf und stellte sich zwischen uns. Er redete auf den wütenden Mann ein, woraufhin dieser sich mit Schwung umdrehte und davonmarschierte.
Danach hockte er sich wieder mit verschlossenem Gesichtsausdruck auf seinen ausdrucksstarken Zügen vor mich. Er hatte den anderen davon abgehalten noch wütender zu werden und somit verhindert, dass er mir wehtun konnte. Aggressive Männer waren schließlich unberechenbar, dafür war ich ihm dankbar. Das hatte noch nie jemand für mich getan.  Vorsichtig und langsam berührte er andeutungsweise mein Kinn, so dass ich den Kopf hob und ihn ansah. Unverhofft leuchtete er mir mit einer kleinen Taschenlampe in jedes Auge.  Immer wenn ich zusammenzuckte machte er leise beruhigende Laute und schnalzte mit der Zunge wie die Reiter es mit ihren Pferden machten. Ich fragte mich ob er mir vielleicht damit einen Befehl geben wollte, oder ob man in ihrem Land so mit den Frauen sprach. Als nächstes schaute er sich meine Wunde an und verzog dann sein Gesicht zu einer Grimasse. Nachdenklich sah er neben sich auf den Boden zu einer kleinen Tasche, die ich zuvor noch gar nicht bemerkt hatte, wühlte darin herum und zog ein weißes Fläschchen zusammen mit einem viereckigen Stück Stoff heraus. Er tat so als würde er es sich auf die Stirn kleben. Dabei sah er mich fragend an. Ich biss mir auf die Unterlippe, verstand und nickte schließlich, in der Hoffnung, dass er meine Haut vielleicht nicht berühren würde. Als er sich ans Werk machte bat ich bei unserem allmächtigen Allah um Vergebung, aber ich wusste das hier musste sein. Seine Hände waren sanft und rücksichtsvoll, ich merkte, dass er mir keine weiteren Schmerzen zufügen wollte, als er etwas Kühles draufsprühte, es abwischte und dann meine verletzte Haut mit dem viereckigen, weißen Stoffding zuklebte. Ich war verwundert von dieser bedächtigen Behandlung. Noch niemals zuvor war ich so behutsam von einem Mann angefasst worden, wie von diesem düsteren Soldat vor mir. Als er fertig war, nickte er nur knapp. Noch ehe ich mich bedanken konnte war er schon aufgestanden und mit schnellen Schritten davonmarschiert. Ich blieb mit Saya die immer noch schlief, sitzen und befühlte vorsichtig das Stück Stoff das die Wunde auf meiner Stirn schützte.
Dieser Mann war so nett zu mir gewesen, dabei hatte er keinen Grund dazu gehabt. Sie waren alle ganz anders, als das was ich bisher kennen gelernt hatte. Wieso taten sie das nur und verschwendeten ihre Medizin und ihre Zeit für mich?  Ich war verwirrt und verunsichert, aber ein kleiner Keim Hoffnung ging in mir auf. Vielleicht, waren nicht alle Männer so wie die, mit denen ich bisher zu tun hatte.

Als die Sonne aufgegangen war und sich die Luft um uns herum weiter erhitzte, kamen immer noch keine Schüsse und die Soldaten entspannten sich merklich.  Als sie anfingen sich auszuziehen wusste ich nicht was ich tun sollte. Ich fühlte mich so schrecklich unwohl und starrte auf den sandigen Boden vor mir, bis Stiefelspitzen in mein Blickfeld traten. Als ich hochsah schaute ich geradewegs in die amüsiert, funkelnden Augen, des Anführers.
„Du würdest jetzt am liebsten sterben, oder?“
Wieso sollte ich denn bitte JETZT sterben wollen? Bei Allah, was war das denn für eine Frage? Wollte er mich etwa doch TÖTEN? Als ich ihn panisch ansah lachte er leise und hielt mir seine Hand hin.
„Der Kampf ist vorbei, du kannst jetzt ins Innere des Hauses, oder in das was davon noch übrig geblieben ist, wenn du willst.“ Wenn ich will? Er hatte mich gefragt was ICH wollte, nicht von mir verlangt das zu tun was ich zu wollen hatte. Das war nett von ihm, und das obwohl er so wütend auf mich gewesen war. Ich war froh, denn er schien es nicht mehr zu sein und so lächelte ich ihn schüchtern an  und verlagerte vorsichtig das Gewicht unter meiner kleinen Schwester. Sie schlief weiter wie ein Stein, auch als ich mich umständlich und in Zeitlupe unter ihr hervorschob. Meine Beine waren eingeschlafen und fast klappte ich zusammen, als ich mich mit Hilfe der Wand, nicht seiner Hand aufgerappelt hatte, doch ich schaffte es stehen zu bleiben. Auf der Lippe kauend schaute ich auf meine kleine Schwester herab. Ich wollte sie nicht hier zwischen all den fremden Männern liegen lassen, aber aufwecken wollte ich sie auch nicht.
Der Anführer konnte anscheinend meinen Blick deuten, denn er winkte den Riesen herbei und sagte etwas zu ihm. Dieser ging vorsichtig vor Saya in die Hocke und hob sie auf seine muskeldurchzogenen Arme. Sie sah dort aus wie ein zerbrechliches Stöcklein, aber sein Gesicht war so aufmerksam auf sie gerichtet, dass ich wusste, er würde auf sie Acht geben. Ich hatte es schon an der Art gesehen wie er sie hochhob und war wieder mal verwundert, wenn nicht sogar erschüttert.
„Wo schlaft ihr normalerweise? Willst du es mir zeigen?“, fragte mich ihr Anführer mit seiner weichen, ruhigen Stimme und ich nickte. Mit schnellen Schritten führte ich sie ins Innere des Hauses, die einfache Steintreppe ohne Geländer nach oben. Wir stiegen über feinen Staub und große Gesteinsbrocken. Eine komplette Wand fehlte, auf einmal fühlte ich mich unbehaglich. Er sagte sie würden dort vorerst eine Plane anbringen, um ein bisschen Privatsphäre für uns zu schaffen. Ich zeigte ihnen wo Sayas Schlafplatz war und der Riese legte sie vorsichtig ab. Sie regte sich nicht, sondern schlief tief und fest weiter, während ich sie zudeckte. Ich lächelte bei dem Anblick ihres entspannten Gesichtes, strich ihr über die Haare und ging dann zu meinem kaputten Holzschrank. Ich fühlte mich nackt ohne mein Kopftuch und so griff ich mir das erstbeste und wollte es mir umlegen, aber eine Hand hinderte mich daran. Ich kannte diesen Griff schon und drehte mich fragend zu ihm um. Die Sonne ging rot strahlend hinter ihm auf und sein Anblick verschlug mir für ein paar Sekunden die Sprache.
Er schüttelte den Kopf. Seine Augen waren sanft und offen. Meine wurden umso größer. Er nahm das Kopftuch aus meiner erstarrten Hand und ich fühlte wie mein Herz anfing schneller zu schlagen. Langsam näherte er sich mit angespanntem Blick dem Fenster und ich bekam keine Luft mehr.  Er warf es einfach hinaus.
„NEIN!“, rief ich gedankenlos aus und sprang zum Fenstersims. Ich konnte gerade noch sehen wie es in einer gleißenden Bewegung, dem Boden entgegenwippte und dort schließlich wie ein roter Schandfleck liegen blieb. Schockiert schlug ich meine Hände vor dem Mund. Das konnte er doch nicht tun! Er konnte mir nicht verbieten es zu tragen! Ohne mein Kopftuch war ich nicht vollwertig, ich fühlte mich nackt.
Allah, vergib  mir. Ich war hier mit einem fremden Mann in meinem Schlafgemach. Dafür würde ich in der Hölle schmoren, und das auch noch mit unbedecktem Haar. Eine Träne rann meine Wange herab, als ich es da unten liegen sah… es war als hätte er einen Teil von mir aus dem Fenster geworfen.
Doch, er konnte es tun. Er war ein Mann und somit hatte er die Entscheidungsgewalt.
„Bitte nicht…“, flüsterte ich, da nahm ich im Augenwinkel eine Bewegung wahr und merkte, dass er mir ein neues hinhielt. Unsicher drehte ich mich zu ihm um und nahm das Tuch entgegen.
 „Deine Haare sind viel zu schön um sie zu verhüllen, aber wenn DU es tragen willst, werde ich dich nicht aufhalten.“, murmelte er und dann verbeugte er sich vor mir, dabei fiel ich fast in Ohnmacht, vor Schock. „Du kannst jetzt machen was du willst. Lass dich von uns nicht stören, beweg dich vollkommen frei.“ Mit einem kleinen Zwinkern, drehte er sich um und ging die Treppe nach unten.
Ich blieb allein in den Strahlen der einfallenden Sonne stehen, sah dem Staub bei seinem Tanz  durch die fehlende Wand zu und war vollkommen überwältigt und gleichzeitig überfordert.
Ich nahm meinen Kamm und ließ mich auf die Matratze plumpsen. Das leichte Ziepen und die vertrauten Bewegungen beruhigten mich, machten meinen Kopf frei. Was sollte ich jetzt tun? Sollte ich hier oben bleiben und mich verstecken? Das ging auf Dauer nicht, die Tiere, wenn es denn noch welche gab, würden etwas zu Essen brauchen und natürlich Saya und ich auch. Aber wie sollte ich mich denn vor so vielen männlichen Augen frei bewegen können? Das war einfach unmöglich, doch von ihm so selbstverständlich ausgesprochen. Wusste dieser Ungläubige gar nichts? Machte er sich keine Sorgen um seinen Seelenfrieden? So oft wie er mich berührt hatte, so selbstverständlich wie er meinen Blick einforderte, war ich davon nicht überzeugt. Ich konnte machen was ich wollte? Und was sollte das sein? Noch niemals zuvor war ich vor dieser Frage gestanden. Immer hatte ich gewusst was ich tun MUSSTE. Nichts tat ich weil ich es wirklich wollte. Natürlich, Kleinigkeiten durfte ich selbst bestimmen, aber jetzt war mir ALLES offen. ALLES war doch viel zu viel. Also bürstete ich in aller Ruhe erst meine Haare zu Ende, nicht wie sonst, wenn ich es noch halb verfilzt unter meinem Kopftuch versteckten musste. Flocht mir einen Zopf und wickelte in gewohnter Manier den Stoff über mein Haupt. Er schmiegte sich vertraut an meine Kopfhaut und ich schloss erleichtert die Augen. Denn das hatte etwas von Zuhause.
 Mein Bauch knurrte und ich entschied mich dazu meine neu gewonnene Freiheit auszutesten. Er hatte mir gesagt er würde mich niemals schlagen, keiner von ihnen würde mir wehtun, ich wusste nicht ob ich den Worten glauben konnte, aber ich würde es versuchen. Bis jetzt, hatten sie uns noch nichts getan.
Also marschierte ich mit frisch gekämmten bedeckten Haaren nach unten und nahm mir meinen Wassereimer. Es war nicht leicht mit gesenktem Blick den Anführer zu suchen, also musste ich leider gucken… fast alle hatten nun ihren Oberkörper wegen der Hitze entblößt und die schweren Uniformen abgelegt, sie aßen und lagen verstreut in der morgendlichen Sonne, bauten Zelte auf und tranken aus ihren Wasserflaschen. Ich glaube, ich hatte noch nie so eine intensive Röte verspürt wie in diesem Moment. So viele nackte, männliche Oberkörper auf einmal… Allah, bitte verzeih mir.
Doch irgendwann fand ich ihn. Vorne am absolut durchlöcherten Haus, lehnte er locker mit dem Rücken an der Mauer und kaute auf einem Grashalm herum. Er sprach mit ein paar anderen Männern, einem mit Glatze, dem Riesen, dem Blonden mit den kühlen Augen und Soldaten die ich bis jetzt noch nicht gesehen hatte. Auch er trug nur noch eine tief sitzende Hose… Ich hatte noch niemals so einen männlichen und gleichzeitig gepflegten Körper gesehen. Ich wollte nicht hinsehen… aber tat es doch… Er hatte einen wirklich schönen Körper anders konnte ich es nicht beschreiben. Er war schier perfekt… Als mir dieser Gedanke kam wollte ich am liebsten schreien und weglaufen. Allah, vergib mir. Ich schämte mich und strafte mich in Gedanken selbst. Voller Reue wegen meinem gottlosen Denken trat ich an die Gruppe heran, natürlich mit gesenktem Blick und dem Eimer in der Hand. Ich wusste nicht wie ich auf mich aufmerksam machen sollte, aber die Gespräche verstummten sowieso, sobald ich mich an den Rand der kleinen Gruppe stellte.
Ich versuchte mich nur auf seine Augen zu konzentrieren,  weil ich wusste, dass es ihn aufregen würde wenn ich ihn nicht ansah, während ich so leise sprach, dass er es sicherlich kaum hörte. „Du hast gesagt ich darf tun was ich will?“ es klang wie eine Frage und er runzelte die Stirn. Wie selbstverständlich streckte er die Hand nach mir aus und ich zuckte zusammen. Er presste die Lippen aufeinander, umfasste trotz meiner Reaktion, leicht meinen Oberarm  und führte mich ein Stück von der Gruppe breit grinsender, tuschelnder Männer weg.
„Und ich habe es auch so gemeint.“, meinte er im Schutz eines Baumes. Die Sonne hatte bereits ihre volle Kraft entfaltet und schien erbarmungslos auf uns herab.  Ich starrte auf meine Füße.
„Ich würde gerne Tee und etwas  zu Essen machen. Dafür brauche ich Wasser.“ Ich hob meinen alten Eimer hoch.
„Gut. Wo holst du dein Wasser?“
„Im Fluss.“, murmelte ich verhalten.
„Wie weit ist der Fluss entfernt?“
„Er ist gleich da hinten.“ Immer noch ohne ihn anzusehen zeigte ich ihm über meine Schulter die ungefähre Richtung.
„Ich werde dich begleiten. Ich halte es zwar für Unwahrscheinlich aber es kann sein das sie sich dort versteckt halten.“ Er meinte wohl die Taliban gegen die sie gekämpft hatten.
„Was ist mit meiner Schwester?“ ich wollte sie nicht schutzlos zurücklassen. Er grinste mich an.
„Ist es Okay für dich wenn Hugh auf sie aufpasst?“ er schaute zu dem Riesen, der uns breit grinsend zuwinkte.
„Ich weiß nicht…“, er schien nett zu sein, dennoch kannte ich niemanden von ihnen und konnte sie nicht einschätzen.
„Du kannst ihm wirklich vertrauen. Er liebt Kinder über alles, weil er selber eins ist.“ Ich musste ein kleines bisschen lächeln, als er das sagte und nickte lippenkauend.
„Gut.“ Er drehte sich um und ging zu der Gruppe Männer. Bei Allah… ich konnte nicht anders… ich starrte seinen nackten Rücken an. Er hatte eine dicke Narbe in der Leistengegend. Das erinnerte mich an meinen eigenen Rücken, ansonsten war seine Haut makellos, viel makelloser als meine, mit strammen Muskeln darunter und leicht gebräunt. Was tat ich hier nur? Kopfschüttelnd kniff ich die Augen zusammen, als er mit dem Mann ohne Haare sprach. Dann schaute ich nur noch auf meine Füße und das auch, als er zurückkam und verkündete, dass wir gehen konnten.
Und dann machte er etwas, was mir fast den Boden unter den Füßen wegzog…
Wie selbstverständlich nahm er den Eimer aus meiner Hand und marschierte pfeifend drauf los!
Ich sah ihn beim hinterhergehen schockiert von der Seite an und stolperte über einen Stein. Seine Hand schoss nach vorne und fing mich am Arm auf. Mit der anderen hielt er den Eimer. Er zog fragend eine Augenbraue hoch. Ich sah ihn an und musste es wissen. Wie hieß dieser unglaublich verstörende, temperamentvolle aber doch so freundliche, herzliche Ungläubige, der mir sagte ich dürfte tun was ich wollte, und der meinen Eimer für mich trug?
„Wie heißt du eigentlich?“
Ein breites Lächeln überzog sein Gesicht und ließ es erstrahlen, wieso auch immer.
„Ich heiße Jack Cooper und bin erfreut deinen Eimer tragen zu dürfen.“ Ich konnte mir mein Kichern einfach nicht verkneifen. 
CUT!

Sooooooooooooooooooooooooooooo! Das war´s mal wieder von mir! Oder sollte ich besser sagen von uns! Von meiner Sofia P alias kisicat (Sie ist ja doch bei ff, postet hier aber nichts, die böse Möse, dabei kann sie soooooooooooooooooooo wahnsinnig gut schreiben und hat soo ein geiles Gefühl für die deutsche Sprache!), ich bin immer noch geflasht von deiner Review die du geschrieben hast, inklusive dem Spruch am Schluss ;) Und natürlich danke an meine Beta! UND Danke an meine Hülya, die mir zur Seite steht und die ich für ihr Wesen bewundere. Schatz, du bist wirklich eine wahnsinnig starke Frau, du kannst stolz auf dich sein! Und an meinen Militärberater und DANKE an euch! Ich kann leider nicht alle Reviews beantworten, aber ich werde es versuchen!!!!!
Ich hab euch alle lieb, bin grad auf dem Hippitripp und könnte euch und auch ein paar Bäume knuddeln, weil diese Geschichte trotz meiner Bedenken so gut ankommt!
LOL
Eure Bethy!

Ach ja: Ich weiß ich bin nervig, aber der Wettbewerb geht nur noch ein paar Tage also ist Endspurt angesagt und danach werde ich euch vorerst mit so was in Ruhe lassen! Hehe. Hier nochmal der Link! Ihr seid echt die aller, aller, allerbesten Leser dieser Welt!




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